Phasenmodell und Meilensteine
Eine wesentliche Neuerung von HERMES 2022 im Vergleich zu HERMES 5.1 ist die Einführung der Unterscheidung zwischen klassischer und agiler Vorgehensweise innerhalb des Phasenmodells.
Diese beiden Ansätze unterscheiden sich insbesondere in der Phase der „Lösungsentstehung“ des Projektlebenszyklus. Während die klassische Vorgehensweise in ihren Grundzügen der HERMES 5.1-Methodik entspricht, ersetzt die agile Vorgehensweise die traditionellen Phasen Konzept, Realisierung und Einführung durch die Phase „Umsetzung“. Diese kann flexibel mit einer beliebigen agilen Methode gestaltet werden. Um eine solide Governance zu gewährleisten, müssen jedoch auch im agilen Ansatz die minimal geforderten Dokumente (ehemals „Minimalergebnisse“) erstellt und die Meilensteine aus dem klassischen Modell durchlaufen werden – allerdings auf iterativ-inkrementelle Weise statt sequenziell.
Das agile Projektmanagement wird in HERMES 2022 als „hybrid“ bezeichnet. Es kombiniert klassisches Projektmanagement auf den Ebenen Steuerung und Führung mit agilem oder hybridem Entwicklungsmanagement auf der Ebene der Ausführung. Ein hybrides Entwicklungsmanagement unterscheidet sich von einem rein agilen Ansatz dadurch, dass nur Teile der klassischen Phasen (z. B. Realisierung und Einführung) durch die Phase „Umsetzung“ ersetzt werden.
Eine weitere Änderung im Phasenmodell ergibt sich durch die Einführung der Phase «Abschluss». Diese wird stets klassisch abgewickelt. In der neuen Phase werden die erarbeiteten Ergebnisse final geprüft und an die Stammorganisation übergeben bzw. archiviert. Altsysteme werden je nach Szenario ausser Betrieb gesetzt und die Projektorganisation wird aufgelöst. Am Ende der Phase erfolgt der Projektabschluss inklusive Erstellung und Genehmigung der Projektschlussbeurteilung, welche bereits aus HERMES 5.1 bekannt ist.
Module und Szenarien
Im Vergleich zu HERMES 5.1 haben sich die Module lediglich in ihrer Bezeichnung geändert, während die Inhalte weitgehend unverändert geblieben sind. Das bisherige Modul „Entwicklung agil“ wurde gestrichen, da Agilität nun direkt über das Phasenmodell gesteuert wird. Dadurch entfällt auch die separate Entscheidung zur agilen Entwicklung, wie sie in HERMES 5.1 vorgesehen war.
Bei den Szenarien wurde eine Straffung vorgenommen. Die Szenarien „Weiterentwicklung einer IT-Anwendung“ und „Anpassung einer Standardanwendung“ wurden zusammengefasst und werden nun unter dem Begriff „Adaption“ geführt. Zudem entfällt die Unterscheidung zwischen IT-Anwendung und IT-Infrastruktur. Die Szenarien heißen jetzt „IT-Entwicklung“ und „IT-Adaption“. Ähnlich wie bei den Modulen entfällt auch bei den Szenarien die Unterscheidung zwischen klassischem und agilem Ansatz, da diese Differenzierung direkt in das Phasenmodell integriert wurde.
Rollenmodell
In den Phasen Initialisierung und Abschluss bleibt die Projektorganisation auch in HERMES 2022 klassisch strukturiert. Dies schließt jedoch nicht aus, dass das Projektteam für geeignete Aufgaben agile Techniken nutzt.
Unabhängig von der gewählten Vorgehensweise liegt die Gesamtverantwortung für das Vorhaben und das Erreichen der Projektziele weiterhin beim Auftraggeber, wie bereits in HERMES 5.1. Der Projektleiter behält die Führungsverantwortung, darf jedoch bei einer agilen Lösungsentstehung nicht in die Selbstorganisation des Entwicklungsteams eingreifen.
In HERMES 2022 wird die Rolle des Anwendervertreters deutlich aufgewertet, was auch zu höheren Anforderungen an diese Position führt.
Der Anwendervertreter übernimmt nun die fachliche Produktverantwortung, sowohl im klassischen als auch im agilen Ansatz. Bei agiler Vorgehensweise fungiert er zusätzlich als Schnittstelle zum Entwicklungsteam und steuert dessen Arbeit über die Lösungsanforderungen. Dies entspricht in etwa der Rolle des „Product Owners“ in Scrum. Die detaillierten Aufgaben und Verantwortlichkeiten des agilen Entwicklungsteams werden weiterhin durch die jeweils angewandte agile Methode festgelegt.
Aufgaben und Ergebnisse
Die mit HERMES 2022 eingeführten Änderungen bringen auch neue Aufgaben und Ergebnisse mit sich. Im Zusammenhang mit der Handhabung eines Releases wurden die Aufgaben „Entscheid Releasefreigabe treffen“ sowie „Releaseabschluss vorbereiten“ neu hinzugefügt. Für Letztere wird das neu eingeführte Ergebnis „Releasebericht“ verwendet.
Auch die Inhalte der bestehenden Ergebnisse wurden angepasst. So beschreibt der Projektmanagementplan nun nicht mehr Phasen und Meilensteine, sondern die Releases. Dementsprechend enthält er neben einem Terminplan auch einen Releaseplan.
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